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25. Oktober 2003 13:30 Uhr
Der Nachrichtensprecher im Radio verkündet das Ergebnis der Tourvorstellung für das Jahr 2004: "Es gibt am 21.07. ein
Bergzeitfahren nach l'Alpe d'Huez
hinauf und am vorletzten Tag ein
Einzelzeitfahren in Besançon.
"
Innerhalb von 3 Minuten ist mein Urlaubsschein geschrieben und ausgedruckt. Weitere 2 Minuten später kläre ich mit Dieter telefonisch ab, dass wir auch dieses Erlebnis zusammen erleben wollen.
Da bereits reichlich Urlaub eingetragen ist, wollen wir sogar in der Woche zuvor die beiden Pyrenäen-Etappen mitnehmen und am Ruhetag auf den Mont Ventoux hinauf.
Durch Dieters Tod waren alle Pläne dann aber schon im Januar komplett zu überdenken. :-(
So stehen mir in der 2. Juliwoche eigentlich nur noch zwei Möglichkeiten zum Tourbesuch zur Verfügung. Komplett mit dem eigenen Auto oder vielleicht in der Region Besançon ein Wohnmobil mieten...
Also nehme ich meine Packliste noch einmal hervor und rechne alles zusammen, was ich noch besorgen muss. Gekauft habe ich noch nichts. Erst einmal die Preise vergleichen.
Dabei stoße ich auf Dieters alte Packliste für seine Fahrrad-Touren.
Fazit: Für diese Packliste fehlt mir nur ein kleines Zelt... Nach Überprüfung der Entfernungen finde ich immer mehr Gefallen an der Lösung, mit dem Fahrrad zur Tour zu starten.
Am letzten Arbeitstag ordere ich so noch 2 Tage Verlängerung des Urlaubes nach, welcher für die Rückfahrt von Besançon wohl notwendig sein wird.
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16.07.2004
Tag 1
Homburg nach Feldkirch/Breisgau
188 km mit
65 km mit
Ø
19,9 km/h
Ich starte morgens um 7:30 Uhr tatsächlich von Homburg aus mit Schlafsack und Zelt, Isomatte und Rucksack und 2 Satteltaschen am Gepäckträger.
Der Himmel ist bedeckt, aber mit 20 Grad ist es gerade angenehm.
Hinter Hornbach bleibe ich zuerst im Mühltal, um dann erst kurz vor Bitche meine ersten Höhenmeter zu machen. Mit dem ganzen Gewicht die ersten 180 m hinauf.
Geradeso geschafft, ohne abzusteigen. 7% hinauf und dann, wie gemein, gleich wieder mit 8% hinunter. Weitere 160 m Höhe folgen auf den nächsten 8 km.
Da ich die Strecke mit dem Auto aber bereits kenne, weiß ich, wenn ich bis Straßburg ohne Probleme durchkomme, dann mache ich den Ausflug komplett mit dem Rad.
Flach rolle ich über Haguenau nach Straßbourg hinein. Nach 135 km suche ich nun nach einer Bar oder Café, wo man die heutige Tour-Etappe im TV verfolgen kann.
Aber was ist das? Niemand der über 30 befragten Wirte hat überhaupt ein Interesse an der Tour oder an dem momentanen Französischen Meister und Träger des Maillot Jaune: Thomas Vöckler.
Noch unverständlicher die Tatsache, dass seine Familie nicht weiter als 16 km von hier weg wohnt.
Nach 2 Stunden gebe ich die Suche auf und radele zum Bahnhof. Der nächste Zug bringt mich nach Colmar.
Von dort mache ich mich nun auf nach Neuf-Brisach und auf deutscher Seite weiter nach Feldkirch bei Bad Krozingen. Es ist seit dem Nachmittag wolkenlos, windstill und heiß!
Ein kleiner Umweg von 2 km führt an dem Baggersee vorbei, den ich bei der Tour de France 2000 und bei der Regio-Tour 2003 bereits mit Dieter zusammen mehrfach besuchte und deshalb jetzt auch angesteuert wird.
10 km weiter beziehe ich dann in Feldkirch gegen 20:45 Uhr ein Zimmer in der Pension Müller, um dann nach der Mammut-Etappe von 188 Rad-Kilometern mit gutem Essen den ersten Tag abzurunden.
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17.07.2004
Tag 2
Feldkirch/Breisgau nach Neydens/F
115 km mit
248 km mit
Ø
16,6 km/h
Der Weg führt mich Richtung B3 und Bad Krozingen. Eine Unachtsamkeit und es macht in einem Schlagloch "PLING". Und noch bevor ich anhalten kann, macht es 10 Meter weiter noch einmal "PLING".
Klar ist mir nur auch gleich, dass es nun am Samstag morgen wohl wieder mit der Bahn nach Hause geht, denn mit 2 gebrochenen Speichen werde ich wohl kaum die Tour weiterfahren können...
Der Zufall will es, dass ich auf dem Weg zum Bahnhof an einem Fahrradladen vorbeikomme. Der Herr Glaser von Radsport Werber
hat ein riesengroßes Herz und montiert mir trotz Zeitnot den alten Zahnkranz, Schlauch, Mantel etc. auf mein neues Hinterrad und so kann ich nun doch die Reise fortsetzen.
Die Verzögerung erfordert nun nur einen zusätzlichen Zugtransfer nach Basel. Die Stadt Basel durchquere ich zwischen den beiden Bahnhöfen radelnd.
Der nächste Zug bringt mich nach Bern und nach Umsteigen bis nach Lausanne. Ab hier und rund um den Genfer See will ich eigentlich nun auch ohne Bahn auskommen.
Die nächsten 54 km bis Genf beginne ich, wie auf der Karte gezeichnet, am See entlang und auf der Uferstraße.
Nach 3 km nur sehe ich in einer Entfernung von 1 km den See durch die Bebauung dazwischen fast überhaupt nicht mehr. Kein Problem.
Man kennt ja die Situation, dass die Villen mit Seezugang keine Uferstraße ermöglichen. Drückend heiß ist es. Gemütlich erreiche ich Genf gegen 18 Uhr.
Nun lautet mein Tagesziel St. Julien, ein Grenzort in Euro-Europa bzw. in Frankreich.
Zur Not könnte ich ja mit EC-Card bezahlen, aber nur für diesen Tag Schweizer Franken zu holen, liegt nicht wirklich in meinem Sinn. Scheinbar wissen das die Schweizer.
Je weiter weg man vom Stadtzentrum in Grenznähe kommt, um so seltener werden die wichtigen Wegweiser nach Frankreich. Ein Wegweiser prangt aber überall: France (Autobahn).
Das ist nun scheinbar nicht nur in Basel so, dass man wirklich alles versucht, die ausländischen Autofahrer auf die Autobahn lockt, damit auch die Vignettenlosen zur Kasse gebeten werden können.
Ich wollte aber auch nun wirklich nicht wissen, was passiert, wenn ich mit dem Rad auf der Autobahn erwischt werde.
Es kommt wie gedacht und wie es auch laut Murphys Gesetz kommen muss. Nachdem 12 km in die falsche Richtung geradelt sind, entscheide ich mich, eine andere, südlichere Fahrtrichtung einzuschlagen.
Die Extra-Kilometer tun so richtig weh. Als ich dann aber auf dem nächsten Hügel die gewohnten Schuhkarton-Häuser der Franzosen erblicke, weiß ich, nun bin ich richtig.
Gegen 20:00 Uhr ist St. Julien erreicht. Nach weiteren 8 km bergan nimmt auch endlich mein neues Zelt auf dem Campingplatz von Neydens seinen Betrieb auf.
Ein gutes Restaurant direkt auf dem Campingplatz entschädigt nun mit einer genügend großen Portion fürs lange Fasten. Froh bin ich, dass auch mein zweites gesetztes Tagesziel erreicht ist.
Für die nächsten 3 Tage habe ich für die 179 km nun ausgiebig Zeit, bis ich am Dienstagabend das Ziel in Bourg d'Oisans erreichen will.
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18.07.2004
Tag 3
Neydens nach Celliers (Col de la Madelaine)
136 km mit
71 km mit
Ø
13,0 km/h
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Mein erster richtiger Pass steht nun auf dem Plan: der Col du Mont Sion mit 300 Höhenmetern. Noch gänzlich ungewohnt, wage ich mich nun erstmals an einen kilometerlangen Anstieg.
Und es geht doch! Über weitere Berg- und Talstücke und die alte Hängebrücke "Pont de la Caille" erreiche ich nach 30 km Annecy.
Eine wunderschöne Altstadt und der See. Und ich wollte aber nun wissen, wie es mir in den Bergen weiter so ergeht.
Die neu gekaufte, aktuelle Carte Michelin sagt, dass auf dem Weg noch Steigungen von über 8% liegen. Erst einmal kein Zwischenstop hier in Annecy. Die nächsten Anstiege folgen gleich hinter der Stadt.
Bis Aix-les-Bains sind 4 größere Hügel zu erklimmen, aber auch eine Abfahrt von 11% brettert das 160 kg Geschoss hinunter.
Der Radweg führt ab Aix direkt dem Seeufer entlang. Am Ende des Sees folgt der toll angelegte und gepflegte Radweg dem Zufluss bis Chambéry.
Es ist Sonntag, 15:00 Uhr und die Straßen der Stadt sind fast menschenleer.
In vielen Bars und Cafés sitzt man und schaut im TV die gerade laufende Etappe nach Nîmes an. Da setze ich mich gerne dazu, trinke 2 Café-Noir und plane u. a. auch die nächsten beiden Tage.
Mit einer verhängnisvollen Entscheidung:
Anstatt mich gleich ohne Umweg nach Bourg d'Oisans zu begeben und teuer Geld für den dortigen Aufenthalt zu bezahlen, will ich selbst wissen, wie es oben auf dem diesjährigen Dach der Tour aussieht.
Und selbst wenn ich zu Fuß hinaufgehe. Zeit habe ich ja noch 2 Tage. Geht es nicht, kann ich ja immer noch nach Chambéry zurück und weiter mit der Bahn nach Grenoble.
Geärgert habe ich mich dann auch nur kurz, dass ich nicht schon in Annecy direkt nach Albertville geradelt bin.
Ich besteige so kurzentschlossen den Zug und fahre die 71 km nach Notre-Dame-de-Briançon. In diesem schmalen Tal gibt es rechts und links nur je eine bewaldete Felswand.
Ich will ja eigentlich gleich wieder mit dem Zug zurück... Zu spät. Ich schaue mich erst nach einem Campingplatz um. Schön gelegen, aber sauteuer.
Bei den meisten habe ich aber das Problem, dass sich niemand findet, der verantwortlich zu sein scheint. Die Rezeptionen der verschiedenen Plätze haben alle bereits um 19 Uhr dicht gemacht.
In Aigueblanche setze ich mich dann in ein Restaurant. Man ist erstaunt, dass ein Radfahrer im Trikot überhaupt die Karte verlangt und dann noch reichlich speist.
Die Erfahrung mache ich übrigens noch mehrmals auf der restlichen Fahrt.
Nach dem Mahl frage ich hier und da noch nach einem Zimmer. Der Preis von 35 € schreckt mich nicht direkt ab, aber ich suche erst einmal noch weiter.
In Celliers, Mitten im Anstieg zum Col de la Madelaine, gibt es ebenfalls noch ein Zimmer, welches ich telefonisch vorbestelle.
Der Himmel hat sich etwas verfinstert, es sieht nicht nur nach Regen aus und Gewittergrollen hört man auch schon. Der Tag ist noch jung und so mache mich daran, den Anstieg zum Col de la Madelaine zu beginnen.
Die ersten Meter und auch die ersten beiden Serpentinen fahre ich ja noch. Danach meine ich aber, dass ich wohl zu Fuß schneller sein könnte und drücke das Fahrrad. Mann, Mann, Mann...
In Höhe von Bonneval wird es flacher und ich fahre wieder. Bei Villard-Benoit fängt es an, zu gewittern und stark zu regnen. Der Aufstieg geschieht in stark wechselnden Abstufungen.
Für die 10 km bis zum Hotel brauche ich wegen dem Regen doch etwas länger als die geplanten 2,5 Stunden. Um 23:30 Uhr liege ich aber im Bett und bin so zufrieden mit der Entscheidung, diesen Weg genommen zu haben.
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19.07.2004
Tag 4
Celliers nach St. Colomban (Col du Glandon)
58,5 km mit
Ø
9,1 km/h
Als ich am Morgen versuche, den Col zu stürmen, sehe ich eine Gruppe niederländischer Radfahrer, die eiligst ihre Zelte abbauen.
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das letzte Stück vom Aufstieg zum Col de la Madelaine..
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Als böser Bube habe ich ihnen aber zumindest die Freude genommen, als erster Radler des Tages über die Passhöhe zu rollen. Es ist nicht kalt, aber doch sehr frisch.
Bevor in 3 Tagen die Tour hier durchgefahren kommt, ist der Parkplatz bereits voller Wohnmobile und alles restlos zugeparkt.
In der folgenden Abfahrt sind auch schon die besten Plätze weg. Möglichst hautnah dabei sein. Das bin ich auch. Und zwar mitten in der steilen Abfahrt zum Skiort Longchamps.
Dort dürfen während des 2. Frühstückes die heißgebremsten Reifen abkühlen. Habe mir die Abfahrt zwar schlimmer vorgestellt, aber haarig ist es schon manchmal.
Das Gefühl auf der Felge herabzufahren kannte ich schon aus dem Jahr 2000, als ich auch bei einer mir bekannten Schussfahrt überrascht wurde und der durch das Bremsen überhitzte Reifen platzte.
Das soll jetzt natürlich mit dem ganzen Gewicht nicht passieren. So genieße ich noch mehrere Male ausgiebig die herrliche Aussicht.
Unten im Tal angekommen, suche ich zuerst nach einem Fahrradgeschäft: Bremssätze kaufen. Einen Satz habe ich ja noch eingepackt. In St. Marie-de-Cuines gibt es keinen, man schickt mich nach St. Jean-de-Maurienne.
Bei 40 Grad erreiche ich die Stadt nach 14 km. Da Montag ist, muss ich warten, bis am Nachmittag eines der 4 Geschäfte öffnet.
Beim Mittagessen überlege ich, ob ich von hier aus gleich den Anstieg zum Col de la Croix de Fer nehme, wie es hier viele Hobbyfahrer heute tun.
Von der Entfernung her wäre es ja egal, die 200 m mehr an Höhendifferenz stören mich auch nicht. Aber die Hitze.
Das Schwimmbad ist zwar greifbar nah, aber wegen des Preises recht leer. So verziehe ich mich in das Flussbett der Arc. Dort tue ich mal die Füße und später auch mich und die Wäsche hinein.
Nach dem ausgiebigen Sonnenbad nehme ich den ursprünglich geplanten Weg zum Col du Glandon von St. Marie-de-Cuines in Angriff. Im Schatten des Berges ist es nun auch recht angenehm.
Dieses Mal schaffe ich es auch, den 10 km langen Anstieg bis zum Ort Colomban durchzufahren. Das Zelt ist auf dem recht neuen Campingplatz schnell aufgebaut und ich schlendere zurück in den Ort.
Dort im Restaurant nehme ich ein "Menü traditionell". Mein Tischnachbar ebenfalls. Dann stellen wir fest, dass wir beide aus dem Saarland sind und beide große Probleme haben, alles aufzuessen.
Er ist mit dem Motorrad unterwegs und fährt der Tour voraus, wie er mir erzählt. Er erzählt mir auch von l'Alpe d'Huez und bestätigt mir all meine Befürchtungen. Spät und gut gefüllt beende ich den Tag.
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20.07.2004
Tag 5
St. Colomban nach l'Alpe d'Huez
69 km mit
Ø
7,9 km/h
Als Frühaufsteher mag ich weiterhin nicht, lange im Zelt zu liegen. Während ich dusche, zieht gegen 7:00 Uhr der Himmel zu. Ich beeile mich, das Zelt trocken eingepackt zu bekommen.
Es regnet tatsächlich ein wenig. Da ich diese Zeit aber im Ort beim Frühstück zubringe, stört es mich nicht weiter.
Als ich später wieder beim Campingplatz vorbeifahre, sehe ich die anderen Radfahrer das nasse Zeugs zusammensuchen.
Die fehlenden 10 km bis zum Col gestalten sich aber nun schwieriger, als ich dachte. Die Steigung hat dort längere und steilere Abschnitte von weit mehr als 12%.
So gehe ich von km 6 bis km 3,5 doch mehr zu Fuß, als ich fahre.
Den Schluss betrifft das zwar auch, aber mittlerweile hat der Regen wieder begonnen. Der wird nun so kalt, dass es sinnvoller erscheint, die verbleibenden 3,5 km hochzufahren, als zu laufen.
Den Col sieht man noch nicht, aber durch die vorbeischleichenden Autos kann der nicht mehr weit sein. Nur viel höher!
Gegen 11:00 Uhr bin ich oben. Und was soll ich schreiben?
Kaum bin ich die nächsten 250 m bis zur Weggabelung gefahren, habe das Fahrrad in die Ecke der Terrasse der Gipfelbar gestellt, einen wärmenden Café-Noir bestellt, hört es auf zu regnen und die Sonne kommt raus.
Gut fühle ich mich trotzdem. Bin ich doch hier nicht alleine. Hunderte von Freizeitradler kommen hier am Col bzw. an der Bar vorbei, um die 2,5 km zum Col de la Croix de Fer noch zu fahren.
Ich begebe mich auf die Abfahrt. Im Fernsehen spricht man immer, es sei der unproblematische Anstieg, weil er mit der Länge von 26 km ja eigentlich wesentlich flacher...
Von wegen! Abfahrten von mehr als 15 % hat es hier und das Gemeine daran ist:
Man stürzt fast zu Tal und sieht direkt vor sich 4 Serpentinen, die steil in den Himmel ähm. Fels wieder 200 Höhenmeter nach oben führen. Wie gemein!!!
Im Fernsehen betrachtet sieht das wirklich so aus, als würden die Rennfahrer dort fast locker hinauffahren, wo ich mich jetzt langsam hinunterbremse. Absoluter Wahnsinn!
Die ersten vom Gipfel zurückkommenden Hobbyradler überholen mich.
Einige sehe ich dann aber auch wieder am Rand stehen mit ihren geplatzten Reifen. Aber keinem ist wirklich etwas passiert.
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das Profil meiner nächsten Etappen: von der Mitte nach links..
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Gegen 14 Uhr bin ich dann am Fuße der Staumauer in Allemont und heil im Tal angekommen. Mit dem Fahrrad hat man hier wenigstens die Möglichkeit zu fahren.
Autos, Wohnmobile und Busse stauen sich seit Stunden. Seit 12 Uhr ist nun auch der Berg nach l'Alpe d'Huez offiziell gesperrt. Die ganzen Neuankömmlinge suchen nun einen Platz zum Campen oder Parken. Chaos pur.
Nur die Radfahrer können einigermaßen gut voran kommen. 14:30 Uhr bin ich am Ziel und sehe den Berg vor mir.
Nach der ersten Runde durch die Stadt gehe ich essen und schaue mir in einem der vielen aufgestellten Fernseher den Rest der gerade laufenden Touretappe an.
Je einen neuen Satz Bremsbeläge für vorn und hinten einkaufen und dann..
Ja was mache ich nun.. Wasser irgendwo im Berg zu kaufen, soll laut Anwesenden sauteuer sein, also muss man das hier unten Einkaufen und Hochschleppen.
Oder Ganz nach oben, wo es dann wieder normal teuer ist. Brunnen- bzw. Quellwasser wie an den letzten beiden Anstiegen möchte ich hier am Berg der Holländer dann doch nicht unbedingt trinken wollen.
Ich kaufe 6 Flaschen zu 1,5 l. Mit dem ganzen Gewicht fahre ich dann um 18:05 Uhr in den Berg bzw. Anstieg zur Kurve 21. Als mich dann irgendwann ein Fußgänger überholte, dachte ich, ich werde nicht mehr.
Gottseidank war es nur einer der Schnell-Geher, die den Berg ebenfalls als Trainingsrevier nutzen.
In der Kurve 21 stieg ich trotzdem vom Rad. Pause machen. Unterhaltung mit den Leidgenossen und trinken. Eine Flasche gleich
in einem Zug. Auweia. So schaffe ich es maximal in Kurve 20 oder 19. Reicht ja wohl auch. Mit dem Auto war irgendwann mal Kurve 13 angedacht. Ich war aber nun mal mit Fahrrad dort.
Nach 45 Minuten steige ich wieder aufs Rad. Vorletzte Übersetzung und los. Durchhalten bis zur nächsten Kurve. Dann ist Schluss. Aber...
Kein Platz für ein kleines Zelt. Dann fahre ich halt weiter und weiter und weiter und weiter... Der Himmel zieht sich zu und Regen droht. und weiter. Ich finde nach der Kurve 19 meinen Tritt, kann dann wirklich
den Hebel so umlegen, dass die Beine arbeiten und treten. Solange dann der Kopf mit etwas anderem beschäftigt ist, als in Gedanken die Pedale zu treten, funktioniert das Bergauffahren ohne Probleme. Hört sich
vielleicht blöd an, funktioniert aber. Und sogar ganz gut, wie sich auch in den nächsten Tagen zeigen wird.
Kein Platz fürs Zelt und weiter. Es fängt an zu regnen, es ist bereits 21:30 und ich sehe ein Kamerapodest für die Fernsehübertragung. Da flüchte ich mich drunter. Unweit von mir tobt unüberhörbar eine Party.
Sobald es aufhört zu regnen, werde ich mal um die Kurve schauen, was da abgeht. Immer wieder kommen Autos der Organisation und Technik den Berg hinauf und stoppen kurz hinter der Kurve.
Um 22:30 hat der Regen wieder aufgehört und ich mache mich weiter auf die Suche nach einem Plätzchen.
Nach der Kurve empfängt mich, genauso wie die Autos und Radfahrer vor und nach mir eine Horde Niederländer, die wirklich aus dem Nichts dort eine wilde Party feiern.
Es sind dabei so viele, dass auf der Straße selbst mit meinem Fahrrad fast kein Durchkommen ist. Deshalb auch die Stauerei der Autos.
Ich werde wohl nur meines Gewichtes wegen nicht gleich aufs Fahrrad gehievt und angeschoben. Aber anfeuern tun mich alle lautstark.
Ich befinde mich nun in dem Ort Huez gleich neben der Kirche und dabei zwischen Kurve 7 und 6. Ein Wahnsinn. Soweit wollte ich ja gar nicht hinauf.
Aber besser ist das schon, weil man dort schon mehr von der Entscheidung im Rennen mitkriegt. So tippele ich weiter gen Himmel, weiter auf der Suche nach einem Plätzchen.
Gegen 23:00 Uhr beginnt dann das Anrollen der Technik für den Zielbereich. Der Berg ist im Trubel. Die Holländer von Huez nötigen nun jeden LKW zu Hupkonzerten. Im Berg und wohl auch im Tal nicht zu überhören.
Weniger schön finde ich aber nun, dass die Kurven nach der 7 tatsächlich beidseitig mit Absperrgitter versehen sind. Die stehen direkt am Fahrbahnrand, so dass dahinter maximal 1 Person stehen kann. Eine weitere
Person dahinter macht dann schon den Abgang am Hang hinunter bzw. zwischen Fels und Gitter ist es so eng, dass nicht viele Zuschauer dahinter passen kouml;nnen. Erst hinter dem Ort Huez, wo der Rand mehr Platz bietet,
findet man dann auch wieder Fans in der Nähe. An der Stelle, an der die Technik zum Ziel hin einen anderen Weg nimmt, da ist dann wieder richtig leben in der Bude. Gut versorgt an Grundnahrungsmittel Bier
ziehe ich dann dort auch wieder weiter in Richtung Kurve 3, an den Weihnachtsbäumen, die es hier vielleicht im Dezember wieder geben wird, die Rotwein- und später die Weißwein-Station der kanadisch-berlinerschen Fangemeinde etc.
Der Aufstieg zieht sich also nicht nur der Höhenmeter wegen so in die Länge, sondern auch wegen der Anzahl der Stationen.
Gegen 2:40 Uhr ist es geschafft und ich fahre mit dem Rad in l'Alpe d'Huez über die Ziellinie von letztem Jahr. Keine 100 m davon entfernt schlage ich neben anderen Zelten mein Zelt ebenfalls auf.
Dass neben mir auf dem Platz weiterhin die ganze Nacht LKW für LKW anrollt, rangiert und Leben herrscht, kriege ich nicht mehr mit.
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21.07.2004
Tag 6
l'Alpe d'Huez nach Grenoble
71 km mit
Ø
21,8 km/h
Es ist genau 6:10 Uhr. Neben meinem Zelt wird seit 10 Minuten heftigst an der Zielgeraden gebaut. Es dauert auch nicht lange, da ist das Zelt und alles auf dem Rad verstaut und ich mache mich wieder auf den Weg.
Das erste Restaurant macht gerade auf und ich nehme zwei Sandwichs und zwei große Kaffees zu mir. Dabei schaue ich zu, wie der Ort zum Leben erwacht. Die Zeitung mit Klassement unterm Arm,
die Wasserflaschen gegen neue ausgetauscht, so setze ich mich aufs Rad und fahre die beiden Kurven in l'Alpe d'Huez hinunter. Zwischen der Kurve 1 und 2 ist die Steigung mit >11 %
ebenso steil wie das Stück von unten bis zur Kurve 21. Alles dazwischen ist mit 6,5-9 % erheblich flacher.
In Kurve 1 sehe ich über der Steilwand zur Kurve einen Platz, der am Nachmittag wohl richtig schön Schatten eines Baumes haben wird. Zuerst also das Fahrrad hinaufschieben. Das war der größte Akt.
Aber fast direkt neben mir stehend, habe ich es immer schön im Blick und es steht auch im Schatten. Dazu versperrt es noch zumindest den Durchgang zur Steilwand. Somit ist auch nur mit wenig Verkehr am Platz zu
rechnen. So nach und nach füllt sich dann auch der Berg.
Das was an dem Tag so passierte, würde Bücher füllen, wenn ich es Aufschreiben tät. Gegrüßt seien von meiner Seite aus alle, die sich mit mir dort aufhielten und es mit mir dort aushielten.
Gruß besonders an die Radsportfreunde aus Geinsheim. Der Tag bleibt einzigartig. Ein Fest des Radsports. Ein Apfel, der eine Laola auslöst. Ein Radsport-Fan neben mir, der alle möglichen und unmöglichen Wortfetzen
in Lachsalven wandelt. Und dann die Leistung all derer, die bei sengender Hitze den Berg hinauffahren: Kinder unter 6-7 Jahren bis Senioren von weit über 60 Jahren, Amateure und natürlich die Profis.
Nach diesem Event im Berg beginnt nun aber auch schon meine Rückfahrt. Erst einmal hinunter. Vom Baum zur Straße. Gepäck wieder richtig verstauen und dann hinunter ins Tal.
Die Einzigen, die ins Tal abfahren dürfen sind die Radfahrer. Motorräder und Autos werden alle und ausnahmslos angehalten. Trotzdem ich überall vorbeifahren darf und kann,
brauche ich für den Abstieg immerhin 55 Minuten bis zum Fuß des Berges. Das sind 12,3 km. Der langsamste Fahrer der Tour hat die 15,4 km hinauf nur 52 Minuten gebraucht.
Immerhin hatte ich erheblich Gepäck dabei und war so nur ein klein wenig über die Karenzzeit.
Unten angelangt, will ich in Bourg d'Oisans ein Sandwich schnappen und gleich weiter nach Grenoble durchstarten. In Höhe des Campingplatzes habe ich dann aber vorne platt gefahren. Es war ein Schnitt im Schlauch.
Ab in das Fahrradgeschäft und einen Schlauch kaufen. Das geht zu schnell und zu glatt. Falsches Ventil. Zurück zum Umtausch. Geschäft schon zu. Mit Ach und Krach dann doch noch Geld zurück, weil
kein Schlauch mit richtigem Ventil vorhanden. Ersatzschlauch gewechselt. Luftpumpe kriegt keine Luft ins Ventil gedrückt. An Tankstelle am Kompressor probiert. Ok. Fahre 2 km. Wieder platt.
2. Reserveschlauch rein, zurück zu Fuß zur Tankstelle, weil keine Luft in den Schlauch geht. Defekten Schlauch repariert und eingebaut. Mit Luftpumpe aufgepumpt. Ventilaufsatz an Tankstelle ist übrigens defekt.
Fahre 5 km bis zur nächsten Tankstelle und pumpe endlich wieder voll auf.
1,5 Stunden später als gedacht fahre ich bis Rochetaillée an hunderten von gestauten Autos vorbei, die nun für die morgige Etappe alle nach Col du Glandon oder weiter nach Col de la Madelaine strömen.
Ich aber zweige in Rochetaillée in Richtung Grenoble ab. Was mir der saarländische Motorradfahrer vom Glandon erzählte, konnte ich nun austesten.
Von Rochetaillée bis nach Vizille geht es von 711 m üNN. bis auf 259 m üNN. hinunter. Immer schön flach abfallend und nie richtig steil.
Dazu kommt noch, dass mit mir mindestens 50 Park&Ride-Busse den gleichen Weg nehmen, wie ich. Das sind ganze 43 km bergab. Und mein Tacho zeigt im Windschatten der Busse eigentlich nicht unter 45 km/h...
Hinter Vizille ist es dann dunkel geworden. Philip, ein schweizer Radfahrer, gesellt sich zu mir, weil er ohne Licht fährt und er sich vor mich setzen will. Ich wiederum kann seinen Windschatten genießen.
Zusammen erreichten wir den Bahnhof der Weltstadt Grenoble um 21:35 Uhr. Leider müssen wir entsetzt feststellen, dass dort nach 21:15 Uhr kein Zug mehr abfährt. Da hilft aber auch sonst nichts und
wir sind nicht alleine in diesem Glauben. So übernachten in dieser Nacht über 100 Rucksack- und Fahrradtouristen vor dem Bahnhof, welcher von 24 Uhr bis 4 Uhr geschlossen ist.
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22.07.2004
Tag 7
Grenoble nach Gex
130 km mit
121 km mit
Ø
17,4 km/h
Um 4 Uhr stelle ich mich zu den anderen, die in die gerade geöffnete Bahnhofshalle strömen und den Kaffeeautomaten belagern. Das WC wurde ja eigentlich sauber von uns vorgefunden. Aber nachdem jeder von
uns sich erst einmal dort eine Katzenwäsche nimmt, sieht man kurze Zeit später nichts mehr davon. Da bin ich froh, dass ich als Frühaufsteher gleich am Anfang fertig bin. Philip hat für seine Verbindung nach
Albertville neue Erkenntnisse am Schalter erfahren. Er berichtet, dass er bereits um 5:30 Uhr Richtung Lyon abfahren will. Eigentlich wäre seine Verbindung mit Umsteigen anfänglich dieselbe, wie die meine.
Und der Zug fährt erst um 6:05 Uhr. Nach kurzer Verabschiedung sehe ich ihn danach nicht mehr, obwohl ich alles nach ihm absuche. Im Moment meiner Abfahrt steht sein Fahrrad nämlich immer noch an der Stelle,
wo er es gestern Abend neben meinem festgebunden hat. Ich hoffe nur, dass er es wirklich nur vergessen hat.
Im Zug hatte ich 1,5 Stunden Zeit, die weitere Planung durchzukauen. Das einzige, woran ich mich jetzt festhalte und was ich noch erleben möchte, ist das Zeitfahren in Besançon am Samstag.
Alles dazwischen ist Zugabe. Meine Planung ist zeitlich gewagt, aber ich denke, dass ich es schaffe. Solange das Fahrrad mithält. Ein kleines bischen Bedenkzeit habe ich noch. Für den Fall der Fälle
will ich in Annecy auf dem Bahnhof die Ausweichmöglichkeiten checken.
Gegen 7:38 Uhr ist mein Zug in Annecy eingefahren. Nach dem ernüchternden Check radele ich durch die menschenleere hübsche Altstadt. Nehme ein großes spätes Frühstück und finde mich kurze Zeit später
am Strand vom See unter der Dusche wieder. Kurz vorher ließ ich mich auch noch in den See reinplumpsen. Über eine halbe Stunde hielt ich es dort aus. Das war so erfrischend.
Also fahre ich nun nicht auf den Col de la Forclaz hinauf. Das ist auf der Königsetappe der Tour nach Glandon, Madelaine, Tamie der 4. von 5 zu überquerenden Pässen auf dieser Etappe. Nein.
Ich fahre auf den letzten Berg dieser Etappe, den Col de la Croix Fry. Statt Forclaz mit 1157 m geht es nun wieder von 448 m auf 1477 m hinauf. Bis Mittag habe ich für 27 km also viel Zeit.
Ich habe es auch geschafft, diesen ganzen Berg hinaufzufahren. Nun war ich für mich nicht nur der King of the Velo, als ich über die Bergwertung hinweg fuhr. Ich rollte danach bis zur letzten Kurve vor
der Bergwertung zurück. Dort war nicht nur die Absperrung zu Ende, sondern auch ein Getränke- und Essenstand und ganz toll: ein Riesen-Fernseher für die Live-Übertragung der ganzen Etappe.
Ich war übrigens mindestens 2 mal im französischen Fernsehen zu sehen. Neben mir standen auch mehrere Deutsche. u. a. Fans von Team Gerolsteiner. Auch hier feierten wir wieder ein tolles Fest rund um die Tour.
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das Profil meiner Königsetappe: rechts das Stückchen.. :-)
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Nach der Tour ist vor der nächsten. So geht es mir nun auch. Nach der Etappe befinde ich mich inmitten tausender abwandernder Fans mit und ohne Rad. Und je weiter man geht um so mehr lichten sich die Reihen.
Was mir aber nun besonderen Spaß macht: Durch die Planung am morgen im Zug habe ich nun einen Riesenvorteil für die nächsten 65 km.
Von 1477m üNN. fahre ich nun wieder an den stehenden Pkws vorbei über la Clusaz bis nach Bonneville 34km nur hinab auf 480m üNN. Danach geht es 23 km flach bis Annemasse. Von Annemasse bis Genf fällt das
Gelände bis auf 380 m üNN. ab. Ein für die Anstrengung am Morgen genialer Schachzug.
Um 20:30 Uhr versuche ich am Flughafen erneut, einen wichtigen, aber dennoch fehlenden Wegweiser nach Euro-Europa zu finden.
So nehme ich den offiziellen Weg nach St. Genis/F statt nach Ferney/F.
Nach weiteren rund 18 km bergan bin ich am Fuße des Col de la Faucille bei der Stadt Gex. Die Stadt hat zwar scheinbar nichts mehr für mich zu Essen übrig, aber ich habe seit St. Jean-de-Maurienne immer eine
Brioche in Scheiben dabei. Schlafen tue ich neben anderen Fans im Zelt in einer Wiese an der Strecke zum Col. Ich habe eine Riesen-Etappe hinter mich gebracht und war überglücklich.
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23.07.2004
Tag 8
Gex nach Courcelles
182 km mit
Ø
19,5 km/h
Als ich am 2. Tag in Lausanne mit dem Zug eintraf, habe ich ihn ja in der Ferne gesehen. Den französischen Jura und diesen einen kleinen Taleinschnitt. Genau darüber führt eine Straße, die die Tour nehmen wird.
Diese Straße führt momentan neben meinem Zelt her. Es steht auf 600 m üNN. Geplant ist, dass ich zumindest bis St. Claude komme, um dann nach der Etappe den Zug nach Besançon zu nehmen.
Die Tour hat hier heute Mittag bereits von Annemasse 66 km gefahren und 100,5 km vor sich bis ins Ziel.
Ich mache gegen 8 Uhr wieder den Riemen auf die Orgel und stürme den Col de la Faucille bei Höhe 1320 m üNN. Ich brauche mit Wasserflasche am Brunnen füllen und einem 3,50 EUR teueren Kaffee nur 2 Stunden länger,
als die Tour am Nachmittag (23 min. für 9,5 km). Aber ich will ja zum Zug. Nach dem Col eine 6 km lange Abfahrt und dabei geht es 300 m nach unten. In Mijoux gibt es endlich akzeptables Frühstück.
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Morgens das weiß hinterlegte, nach der Tourdurchfahrt das Grüne bis ins Ziel
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Gleich wieder 200 m hinauf zur nächsten Bergwertung.
Oben angekommen, fängt es an zu regnen. Langsam rolle und bremse ich die nächsten 20 km hinunter, um fast genau 700 m tiefer in St. Claude anzukommen. Im Regen war das kein Spaß. Aber die Polizisten an der Strecke haben
auf mich aufgepasst. Über Funk wurde meine Durchfahrt jeweils quittiert. Bei schönem Wetter hätte ich bestimmt lange und oft Station gemacht. Die Landschaft, die Felsen und Schluchten sind so toll.
Schade, dass bei dem Wetter keine Lust dazu bleibt. Ich wechsle in St. Claude von der Tourroute ins Stadtzentrum. Für Besançon
fehlt mir noch eine aktuelle Carte Michelin. Draußen vor dem Buchladen hängt eine von den von mir geliebten Relief-Karten aus Metall. Abgebildet ist dort der ganze französische Jura. Einfach klasse.
Dort habe ich mir nun aber auch die letzte Angst genommen, dass da noch ein richtiger Hammer kommen wird. Also weiterradeln und nix Bahn... Schnell noch die Karte gekauft und schon bin ich wieder unterwegs.
Ich weiß nun, ich bin bis Besançon nie weit von einer Bahnlinie weg, das soll als Sicherheit reichen.
Die nächsten 21 Kilometer geht es nur bergauf. Aber mit der Kondition schalte ich schon lange nicht mehr so viel und habe auch keinerlei Probleme mit Schwitzen und Sitzen.
Auf dem 4. Berg des Tages, dem Col des Crozets (Kat. 3) bleibe ich stehen, um hier dann 2,5 Stunden später die Tour vorbeifahren zu sehen.
Nach der Tourdurchfahrt habe ich das Glück, direkt nach dem Besenwagen wegzukommen. In der nachfolgenden Abfahrt versucht die Gendarmerie aber nun auch die Radfahrer an der Weiterfahrt zu hindern.
Das Ergebnis folgt natürlich auf dem Fuß. Da die Radfahrer in der Schlange ganz vorne stehen, kommt kein Autofahrer an ihnen vorbei. Gefährlich und auch wieder nicht gut. Ich steige an der Straßensperre ab
und gehe die nächsten 200 m zu Fuß, bis ich außer Reichweite der Gendarmen bin. Ab hier wird natürlich gleich mit dem Rad weitergeradelt. Hier in der tiefsten Provinz will natürlich alles und jeder über die gleiche Straße abkürzen.
Da nehme ich doch gleich wieder besser die Original-Tourstrecke.
Immer wieder vorbei an sich stauenden Autos. Selbst die 5. und letzte Bergwertung des Tages (Kat. 4) überrolle ich locker und ich bin nun auch schnell in das Etappenziel in Lons-le-Saunier hinabgefahren.
Einen Ort weiter als Lons will ich noch kommen, das wäre Poligny oder Arbois. Eine Friture, eine Rast, ein bockendes Rad, das alles gibt es noch hinter Lons. Ein Bremsklotz hat sich verdreht und schleift ganz
leicht am Mantel. Und ich denke, ich hätte nun endlich Pudding in den Beinen. Selbst die größeren Anhöhen unterwegs machen heute keine Probleme. Ich schwitze noch nicht mal so wie sonst. Es läuft und läuft.
Ich schiebe mein Tagesziel natürlich weiter nach hinten. Gegen 22:00 Uhr erreiche ich Quingey. Das ist der Ort, wo ich die RN 83 (Route National) verlassen muss, um zum Zeitfahrkurs zu kommen.
Alles andere ist mir nun wirklich Schnuppe. Ich bin dem Ziel so nah.
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Foto: Marco Schuster
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Mitten in dem letzten 7,5 km langen Anstieg hinauf nach Courcelles steige ich ab und schiebe. Gegen 23:00 Uhr bin ich im Ort Courcelles und suche einen Platz für das Zelt. Gegenüber der Dorfkneipe sehe ich einen
schönen Rasenplatz, welcher größtenteils von Wohnmobilen benutzt ist. Aber in dem Bereich vom Hinweisschild ist noch genug Platz für mein Zelt.
Bei der Wirtin frage ich, wie lange sie noch geöffnet hat. Kurzerhand entscheide ich, ich trinke zuerst und baue das Zelt dann auf, wenn es aufhört, wie aus Eimern zu kübeln. In dem Moment, als ich das Rad
vor der Kneipe abstelle, fängt es nämlich direkt an.
Nach einigen Bier und Ricard sitze ich immer noch unter dem Vordach der Kneipe zusammen mit einigen Deutschen, die mit Zelt und/oder Wohnmobil im Ort weilen.
Selbst "El Diabolo" steht nur ein paar Meter von hier mit seinem übergroßen Rad. Ich lasse es mir aber auch nicht nehmen, quer übern Vorplatz auf die Straße zu laufen, um Didi, den Tourteufel zu begrüßen.
Nachdem die Wirtin ihre Gäste nach draußen bittet, dürfen wir trotzdem unterm Vordach sitzen bleiben. Auch wenn sie um 2 Uhr das Licht ausmacht, stört es uns nicht, noch ein Bier zu trinken.
Um halb 3 bin ich dann alleine. Ich sitze ja eigentlich ganz trocken unter dem Dach. Ich lege meinen Schlafsack um mich und warte, bis der Regen nachlässt.
Es ist schon hell, als ich anfange, das Zelt aufzubauen. Dafür ist nur noch das Gras nass und der Regen hört endlich auf.
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24.07.2004
Tag 9
Courcelles nach Vesoul
82 km mit
Ø
22,0 km/h
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Foto: Marco Schuster
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Es ist 9:00 Uhr. Auf der Straße herrscht schon emsiges Treiben. Meine Blicke aus dem Zelt gelten aber nun erst der Gaststätte. In nullkommanix bin ich ausgehfertig und sitze auch schon unter dem Vordach und
geniesse meine übergrosse Tasse Kaffee. Die Wirtin scheint wohl mal in Deutschland gewesen zu sein. Es gibt hier Kaffee der doppelt so groß als sonst bei einem Grand-Café ausfällt, dafür aber keinen Cent
teuerer ist. Zwischendurch werden auch 3 oder mehr Baguettes verdrückt. Das Echo auf dieses famose Frühstück ist groß, so daß die ganze Familie helfen muß, den Ansturm zu bewältigen. Die Wirtin macht an
diesem Tag das Geschäft ihres Lebens. Mehrere Male schickt sie ihren Mann los, im Nachbarort für Nachschub zu sorgen. Kistenweise wird Baguette und Wurst herbeigeschleppt. Werbewirksam natürlich. Muß er doch
immerhin fast einen Kilometer entfernt das Auto bereits parken, weil die Tourstrecke ist ja gesperrt.
Die Freunde der Nacht haben sich auch alle wieder zu mir unter das Vordach gesetzt. Wirklich genüsslich schauen wir zusammen diesem ganzen Treiben zu. Ab und zu fährt auf der Strecke eine ganze Mannschaft
vorbei, wobei es auch zwischendurch auch einzelne Rennfahrer gibt, die im Windschatten der Teamfahrzeuge sich schon richtig ins Zeug legen. Beim Trainieren wohlgemerkt. Gegen Mittag wechseln die Freunde vom
Kaffee zu alkoholischen Getränken. Mir geht es nach 2 Gläsern prickelndem richtig gut.
Zwischendurch kommt ein MDR-Reporter mit Tourteufel Didi an den Nachbartisch. Dort wird für den täglichen Tourbericht in "MDR
um zwölf" versucht, eine Szene in den Kasten zu bringen. Viele Versuche später stellt man fest,
daß genug Filmmaterial vorhanden ist, um einen aussagekräftigen Bericht zusammenzuschneiden. In der Hauptsache spricht Didi dabei mit
Herrn Otto Pätzold vom Radsportkreis Hildesheim und u. a. einem Verantwortlichen der Niedersachsen-Tour. Bei diesem
Bericht bin ich zwar normalerweise nicht im Bild, aber meine Rassel wird wohl mehrere Male zu hören sein.
Apropos Rassel. Die Rassel ist die Letzte von dreien ihrer Art und ein Mitbringsel von der Deutschland-Tour 2004 in Karlsruhe. Die
beiden anderen erledigten in den letzten 3 Tagen bereits bis zu ihrer Erschöpfung ihren
lautstarken Dienst. Leiser, aber weiterhin unverkennbar, schenke ich diese beiden anwesenden Kindern, die mich nun beim Rasseln
unterstützen. Wie sich so aber auch Menschenmassen beeinflussen lassen, zeigt sich bald.
Bin ich mal unaufmerksam, kommt es schon mal vor, daß Zuschauer gar nicht erst gespannt auf die Rennstrecke schauen. So haben einige
mehrere Rennfahrer verpaßt, weil ich nicht gerasselt habe...
Auch einen Fernseher haben wir zur Live-Übertragung neben uns stehen, den uns freundlicherweise die Wirtsleute unterm Vordach
aufstellen. Beim Einzelzeitfahren ist der ja richtig nützlich, wenn man nicht
direkt an einer Zeitnahme steht oder die Zeiten selbst mitstoppt. Auch ich brauchte so für mich mal nicht selbst mitzustoppen.
Wie im Flug zog dieser tolle Nachmittag vorbei. Viel zu schnell!! Auch dieser Lance war
viel zu schnell. Einfach Wahnsinn! Hat Lance denn nicht einmal einen schlechten Tag?
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Foto: Marco Schuster
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Nachdem alle Fahrer vorbeigefahren sind, scharen wir uns vor dem Fernseher. Immerhin sehen wir so das Finale,
sprich die letzten 25 Minuten im französischen Fernsehen.
Danach verabschieden wir uns voneinander und ich schnappe mir mein zwischendurch gepacktes Rad. Vom Kilometer 35, also 20
Kilometer vom Ziel dieser Etappe entfernt, fahre ich nun den Rest ab, um mir Besançon noch kurz anzuschauen.
Auch heute fahre ich wieder entlang den von der Gendarmen gestauten Autoschlangen. Noch bis ins Tagesziel werden
mich laufend Autos grüßend und hupend überholen, die nach Stunden erst auf freien Straßen unterwegs sind.
In den Tageszeitungen und im Fernsehen berichtet man schon den ganzen Tag, daß es in den nächsten Tagen Dauerregen geben wird.
So entschließe ich mich dann entgegen der ursprünglichen "noch-3-Tage-Zeit-für-die-Heimfahrt" Version für eine rasche und
unverzügliche Heimfahrt in nur 2 Etappen.
In Besançon selbst bin ich sehr angenehm überrascht über die Altstadt. Das sieht doch toll aus und es wird wohl bestimmt ein
Wiedersehen mit dieser Stadt geben.
Als ich nach den vielen Kreisverkehren und Umleitungen durch die Tour endlich wieder außerhalb der Stadt bin, stehe ich vor dem nächsten Problem.
Selbst die aktuellen Straßenkarten enthalten keinerlei Hinweise darauf, daß die vierspurig ausgebauten Route National immer öfter als Kraftfahrtstraßen
deklariert sind. Da aber auf den alten Strecken jegliche Hinweisschilder fehlen, werde ich mich jetzt wie schon in der Vergangheit nicht daran stören, diese auch mit
dem Fahrrad zu befahren.
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Kurz vor der Verpflegung haben wir gefeiert..
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So gibt es auf den nächsten 50 km der RN 57 4 Teilabschnitte zu je 3-6 km als Kraftfahrstraße. Bei manchen Ortsumgehungen fahre
ich tatsächlich schon mal in die Ausfahrt, um dann im Kreisverkehr die Schilder zu suchen, die für die Verkehrsteilnehmer aufgestellt sein müßten, die
eine Kraftfahrstraße nicht benutzen dürfen. Es gibt ja nicht nur Radfahrer.
Vesoul erreiche ich erst in der Dämmerung. Gute Hinweistafeln mit Stadtplan helfen aber, den Campingplatz ohne Umweg gleich anzusteuern. Nachdem das Zelt
aufgebaut ist, erspare ich es mir, nochmal in die Stadt zurückzufahren, um etwas zu essen. Der Campingplatz liegt zwar wunderschön an einem See in einem
Freizeitgebiet. Das Restaurant hat aber schon bei meiner Ankunft geschlossen.
In unmittelbarer Nachbarschaft zum Campingplatz ist eine kleine französische Kirmes aufgebaut. Daneben findet eine Motorsport-Veranstaltung statt, bei der
bis spät in die Nacht alle 5 Minuten ein weiterer Oldtimer der Marke VW eintrifft. Von der Open-Air Bühne tönen bis spät die verschiedensten Rhythmen. Das
Ende bekomme ich aber nicht mehr mit. Es war ein langer Tag und die letzte Nacht ziemlich kurz...
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25.07.2004
Tag 10
Vesoul nach Rhodes/Stockweiher
180 km mit
Ø
22,2 km/h
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Es ist Sonntag. Auf dem Campingplatz gibt es gottseidank einen Verkaufsstand, an dem es auch heute frische Baguettes
und lecker Croissants gibt. Das ist es aber auch schon. Nachdem das die Rezeption geöffnet und ich meine Übernachtung
bezahlt habe, sitze ich schon wieder auf dem Rad. Immerhin hoffe ich, in der Stadt ein Café zu finden, welches
um 9:00 Uhr schon geöffnet hat. Nach vergeblicher Suche finde ich mich dann tatsächlich und enttäuscht in dem McDonalds
bei einem Frühstück ein.
Es ist leicht bewölkt und mit 22 Grad nun auch schon wieder recht warm. Über Berg und Tal folge ich der RN 57 weiter.
Mal ist die Straße neu asphaltiert. Dazwischen ist aber auch der verhaßte, rauhe Straßenbelag, der zwar verhindert, daß der Asphalt
bei Hitze wegläuft, mit dem Rad ist der Belag schlecht zu befahren und hat einen erhöhten Rollwiderstand zur Folge.
Bei Remiremont erreiche ich die Mosel und bei Jarmenil verlasse ich zum letzten Mal ein Stück Kraftfahrstraße der RN57. Es ist wieder
richtig heiß geworden. Erst überlege ich noch, an und in dem Fluß Vologne neben der Straße eine Rast einzulegen. Dann finde ich aber einen Brunnen am Straßenrand
und fülle alle 3 Wasserflaschen erneut auf und nehme nur eine Kopfwäsche mit dem kühlen Nass. Geplant war eigentlich eine Rast in Epinal.
Da ich aber noch weitere 14 km Kraftfahrstraße vor mir gehabt hätte und diese dazu dann auch noch als Umweg, verschob ich das Mittagessen
noch ein wenig nach hinten. In Rambervillers holte ich das dann 20 km später nach. Neben dem Essen nehme ich dann noch statt der Mittagshitze
einen Platz im nächsten Café. Immerhin steht ja noch das Ereignis dieses Sonntages aus. Die Tour fährt ins Ziel und ich schaue das
natürlich gerne im TV mit an.
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26.07.2004
Tag 11
Rhodes/Stockweiher nach Homburg
113 km mit
Ø
25,1 km/h
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Am Donnerstag, den
28. Oktober 2004
ist die Tourvorstellung für das Jahr 2005.
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Die erste Etappe wird statt Prolog als 19 km Einzelzeitfahren gefahren
und führt vom Hafen von Fromentine über eine Brückenpassage zur "Ile de Noirmoutier" im Atlantik.
Auch die nächste Etappe von Challans nach Les Essarts über 185 km steht ja schon fest.
Was aber ab dem Startort der nächsten Etappe La Châtaigneraie angefahren wird, wird frühestens im Oktober bekanntgegeben werden.
Diese Informationen direkt von der Tour-Homepage.
Ich bin schon jetzt auf den Rest gespannt.
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Nancy, Lunéville sind ja nicht mehr nur ein Geheimtip für Etappenorte. Vielleicht kommen ja Karlsruhe und Stuttgart noch dazu.
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Vorabversion - Text wird noch überarbeitet
gefundene Rechtschreibefühler dürfen behalten werden, ansonsten Meldung an:
Stefan Diwo
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